Faktencheck mit einer Physiotherapeutin
Egal ob Rücken-, Seiten- oder Bauchschläfer – die Schlafposition hat großen Einfluss darauf, wie erholt wir am nächsten Morgen aufwachen. Sie kann Verspannungen vorbeugen, die Atmung unterstützen und sogar das Herz-Kreislauf-System entlasten – oder genau das Gegenteil bewirken. Doch welche Position ist eigentlich die gesündeste? Und wie lässt sich das eigene Bett optimal darauf abstimmen?
Um diese Fragen zu klären, haben wir mit Physiotherapeutin Nadine Kaltenbrunner gesprochen. Im Interview verrät sie, welche Schlafhaltungen den Körper entlasten, welche eher Probleme verursachen und wie man das eigene Schlafsystem so anpasst, dass der Körper sich in der Nacht bestmöglich regenerieren kann.
Wir: Eine wichtige Frage gleich zu Beginn – welche Schlafposition ist aus deiner Sicht die gesündeste?
Nadine: Grundsätzlich immer die Rückenlage, weil wir hier über eine größere Auflagefläche verfügen als zum Beispiel in der Seitenlage, sodass auf entsprechend mehr Fläche eine gleichmäßigere Druckverteilung entsteht. Achtung ist an dieser Stelle jedoch geboten bei Patienten mit Reflux, Schlafapnoe oder ähnlichem – diese sollten ab Brust- bzw. Halswirbelsäule höher liegen.
Wir: Schlafen in Seitenlage sollte also besser vermieden werden?
Nadine: Physiologisch ist die Seitenlage durchaus praktizierbar, allerdings muss das Schlafsystem diese auch ermöglichen. Im besten Fall ist es individuell anpassbar.
Wir: Was passiert im Körper, wenn man dauerhaft in einer ungünstigen Position schläft?
Nadine: Wenn wir Nacht für Nacht in einer ungünstigen Haltung liegen – sei es durch ein nicht passendes Schlafsystem oder einfach aus Gewohnheit – passt sich der Körper leider an. Muskeln und Bänder können sich verkürzen, was auf Dauer zu Haltungsproblemen und sogar bleibenden Schäden führen kann. Oft kommt es auch zu Nervenkompressionen, die nicht nur Schmerzen verursachen, sondern sogar Kraftausfälle oder ausstrahlende Beschwerden nach sich ziehen. Verspannungen sind dabei fast schon vorprogrammiert.
Ein weiterer Punkt ist, dass sich durch verkürzte Atemhilfsmuskeln zwischen den Rippen auch das Lungenvolumen verringern kann. Das hat widerum Einfluss auf unser Herz-Kreislauf-System – die Atmung wird flacher, das Herz muss schneller schlagen. Auch die Durchblutung leidet durch eine ungünstige Schlafposition. Das kann dazu führen, dass die Muskulatur abbaut und sogar Organe wie Verdauung oder Stoffwechsel aus dem Takt geraten.
Kurz gesagt: Kommt unser Muskel-Skelett-System nachts nicht richtig zur Ruhe, erreichen wir die wichtigen Tiefschlafphasen nicht optimal. Das wirkt sich wiederum auf viele Prozesse im Körper aus – zum Beispiel auf die Produktion von Wachstumshormonen, die für ein starkes Immunsystem entscheidend sind.
Wir: Und was ist mit der Bauchlage? Ist die wirklich so ungesund, wie immer gesagt wird?
Nadine: Ja, definitiv! Wenn wir uns das rein anatomisch anschauen, wird auch schnell klar, warum. Ein Wirbelsäulensegment – also ein Wirbelkörper plus die dazugehörige Bandscheibe – kann sich bei unbewussten Bewegungen nur etwa 1 Grad verdrehen, ohne Schaden zu nehmen. Hochgerechnet auf alle 24 Segmente der Wirbelsäule sind das maximal 24 Grad. In Bauchlage passiert aber etwas ganz anderes: Damit die Atemwege frei bleiben, dreht sich der Kopf fast um 90 Grad zur Seite – und das allein in der Halswirbelsäule mit ihren sieben Segmenten.
Die Folgen für den Körper:
- Die Bandscheiben können sich nicht mehr ausreichend mit nährstoffreicher Flüssigkeit füllen.
- Auf der einen Seite werden Muskeln und Bänder stark überdehnt, auf der anderen verkürzen sie.
- Nervenwurzeln können abgeklemmt werden, was ihre Funktion einschränkt.
Das Ergebnis sind häufig Verspannungen, Haltungsprobleme und auf Dauer auch Schäden. Und es kommt noch etwas dazu: Wenn das Schlafsystem nicht optimal auf diese Position abgestimmt ist, entsteht oft ein verstärktes Hohlkreuz (LWS-Hyperlordose) – was wiederum zu zusätzlichen Beschwerden im unteren Rücken führen kann.
Wir: Welche Schlafposition empfiehlst du bei Rücken- oder Nackenschmerzen?
Nadine: Das kann sowohl die Rücken- als auch die Seitenlage sein – pauschal lässt sich das gar nicht so genau sagen. Entscheidend sind die Art der Beschwerden, eventuelle Diagnosen und auch die persönliche Anatomie, zum Beispiel Fehlstellungen.
Wichtig ist vor allem, dass der natürliche Verlauf der Wirbelsäule erhalten bleibt. Es sollte also weder Druckstellen geben, noch Bereiche, die „in der Luft hängen“. Nur so kann der Körper wirklich entspannen und sich in der Nacht erholen.

Wir: Was sind aus deiner Sicht die häufigsten Fehler, die Menschen beim Schlafen machen – insbesondere in Hinblick auf die Schlafposition – und wie kann man sie vermeiden? Hast du konkrete Tipps?
Nadine: Einer der Klassiker betrifft Seitenschläfer: Viele legen sich ein zu hohes Kissen unter den Kopf, um den Druck auf die Schulter auszugleichen. Das führt aber dazu, dass die Halswirbelsäule in eine unnatürliche seitliche Steilstellung gerät – und das kann Beschwerden verursachen. Mein Tipp: Einfach mal testweise die Leisten im Schulterbereich des Lattenrostes herausnehmen. So sinkt die Schulter tiefer ein und ein flacheres, passenderes Kissen reicht völlig aus.
Ein anderes typisches Beispiel: Manche Seitenschläfer schlagen das obere Bein nach vorne, fast wie in einer halben Bauchlage. Das verdreht die Lendenwirbelsäule – ähnlich wie bei der Halswirbelsäule in Bauchlage – und kann ebenfalls Probleme verursachen. Hier hilft ein einfacher Trick: Ein großes, gerolltes Handtuch zwischen Lattenrost und Matratze legen, und zwar über die volle Breite genau im Bereich des Hohlkreuzes. Das stützt die LWS und nimmt den Druck von Becken und Hüfte. Klar, das sind keine Dauerlösungen – aber sie geben wertvolle Hinweise darauf, was man am Schlafsystem anpassen sollte.
Und noch ein Grundtipp: Prüfen Sie, ob Sie im Liegen tief einatmen können. Das zeigt, ob der Oberkörper offen liegt. So vermeiden Sie eine zu starke Rundrücken-Haltung – mit all ihren Folgen.
Wir: Wie kann ein Bett bzw, Schlafystem die natürliche Schlafpositon unterstützen?
Nadine: Am besten, indem es individuell anpassbar ist. Jeder Mensch ist anders gebaut – niemand passt zu 100 Prozent in irgendeine DIN-Norm. Deshalb kann auch kein Standardbett, egal ob mit oder ohne Zonierungen, wirklich allen gerecht werden. Mit „individualisierbar“ meine ich nicht nur, dass man zwischen verschiedenen Matratzenarten wie Kaltschaum oder Federkern und unterschiedlichen Härtegraden wählen kann, sondern es geht vor allem geht es um das Lattenrost. Aus meiner Sicht macht dieses rund 60 bis 70 Prozent der Bettausstattung aus. Seine Aufgabe ist es, den Körper dort zu entlasten, wo er Entlastung braucht, und ihn dort zu stützen, wo er Unterstützung benötigt – und das möglichst passgenau auf die individuelle Anatomie und mögliche medizinische Bedürfnisse eingestellt.
Die Matratze selbst hat für mich einen Anteil von etwa 20 bis 30 Prozent. Natürlich muss sie zur Körperkonstitution passen, aber genauso wichtig ist, dass man sich darauf wohlfühlt. Hier geht es vor allem um persönliche Vorlieben, zum Beispiel das Material. Die Matratze ist letztlich für die finale Punktelastizität zuständig – also dafür, wie punktgenau sie auf Druck reagiert.
Wir: Und zu guter Letzt – wie wichtig ist das Kopfkissen für eine gesunde Schlafhaltung?
Nadine: Womit wir bei den verbleibenden 10 Prozent wären – und die sind nicht zu unterschätzen. Das Kissen muss nicht nur zum Schläfer selbst passen, sondern auch zum restlichen Schlafsystem. Ein Beispiel: Wenn die Schulter durch Lattenrost und Matratze tiefer einsinkt, braucht man automatisch ein flacheres Kissen.
Aber Vorsicht: Ein unpassendes Kissen kann die anderen 90 Prozent des perfekt eingestellten Schlafsystems zunichtemachen.
Das „eine“ perfekte Kissen für alle gibt es nicht. Aber für jede Person gibt es genau das Kissen, das perfekt passt.